Handelserleichterungen für Medizinprodukte zwischen EU und Schweiz Ende Mai ausgelaufen

Die bisherigen Handelserleichterungen für Medizinprodukte zwischen der Schweiz und der EU gelten nicht mehr. Dies liegt darin begründet, dass die neue Medizinprodukterichtlinie der Union Ende Mai diesen Jahres in Kraft getreten ist und die schweizerische Regierung im selben Zeitraum die Verhandlungen mit der EU über ein gegenseitiges Anerkennungsabkommen abgebrochen hat.

Die Europäische Kommission legte jetzt eine spezifische Bekanntmachung zu der veränderten Situation vor, die sie an die betroffenen Interessengruppen adressierte. Das neue Gesetz zu den Medizinprodukten erfordert, dass die EU mit den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums explizite Verabredungen für Handelserleichterungen trifft. Für die Schweiz fällt dies in eine Phase, in der das seit 2014 in der Verhandlung befindliche Abkommen vorerst gescheitert ist.

Schweizer Parlament

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Mit dem Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung (MRA) – Teil des vorgesehenen neuen Rahmenvertrages - sollte der bilaterale Handel in einer Reihe von Schlüsselbereichen erleichtert werden, so auch im Gesundheitsbereich. Darin wird der besondere Zugang zum Binnenmarkt und die automatische Angleichung an neue bzw. veränderte EU-Vorschriften geregelt. Da es dieses Abkommen nun nicht gibt, besteht auch keine rechtliche Grundlage mehr für die Sonderbehandlung schweizerischer Hersteller. Auch die von der Schweiz Ende März dieses Jahres angestrengte Übergangslösung für eine weitere gegenseitige Anerkennung schweizerischer Konformitätsbescheinigungen sowie in der EU ausgestellter Bescheinigungen bis Mitte 2024 wurde nicht zum Abschluss gebracht.   

Die Kommission führt in ihrer Bekanntmachung nun die Folgen für Hersteller, EU-Importeure und -Händler sowie für EU-Marktüberwachungs- und Zollbehörden in den Mitgliedstaaten aus:

  • für alle neuen Produkte werden Schweizer Hersteller wie alle anderen Produzenten aus Drittstaaten behandelt, die ihre Geräte auf dem EU-Markt vermarkten wollen. Insbesondere müssen neue Schweizer Mittel- und Hochrisikoprodukte von in der EU niedergelassenen Konformitätsbewertungsstellen zertifiziert werden.

  • Bestehende Bescheinigungen, die im Rahmen des vorherigen Abkommens von in der Schweiz niedergelassenen Konformitätsbewertungsstellen ausgestellt wurden, werden in der EU nicht mehr als gültig anerkannt.

  • Für bestehende Bescheinigungen müssen Schweizer Hersteller oder solche aus Drittstaaten, deren Bevollmächtigte zuvor in der Schweiz niedergelassen waren, nun einen in der EU niedergelassenen Bevollmächtigten benennen.

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Die Schweiz regelt über eine eigene Verordnungsänderung die Anerkennung bestehender Bescheinigungen von EU-Herstellern und nennt Übergangsfristen für die Benennung eines Vertreters in der Schweiz für EU-Medizinproduzenten.

Die Kommission unterstreicht in ihrer Erklärung, dass sie sich fortwährend um die Annahme eines Abkommens und einer Übergangsregelung bemüht hat. Das wiederholte auch der stellvertretende Kommissionspräsident Maroš Šefčovič in der Debatte des Europäischen Parlaments Ende Juni zu den Beziehungen der EU mit der Schweiz. Das Abkommen sei für die Kommission immer eine Priorität gewesen, sagte er, Präsident Juncker und seit 2019 Präsidentin von der Leyen hätten 25 Verhandlungsrunden mit sechs verschiedenen schweizerischen Präsidenten durchgeführt. Die Meinungsverschiedenheiten drehten sich im Kern um die Themen gleiche Wettbewerbsbedingungen und Freizügigkeit von Arbeitnehmer*innen.

Šefčovič bestätigte in seinem Statement vor dem Parlament, dass der vorläufige Abbruch der Verhandlungen die EU in eine schwierige Lage gebracht hat, da die Schweiz ein wichtiger Handelspartner ist. Für das Land sei die EU, besonders mit den angrenzenden Staaten Österreich, Deutschland, Frankreich und Italien der größte Geschäftspartner, führte er aus. Er nannte als Handelssumme 80 Mrd. € pro Jahr. Auch die grenzüberschreitende Fachkräftemobilität spielt eine große Rolle. Nach Aussage des Kommissionsvize lebten im Jahr 2020 rund 1,5 Mio. EU-Bürger*innen in der Schweiz und 40.000 Schweizer*innen in der EU. Menschen mit einem EU-Pass machen 25 % der Beschäftigten dort aus. Täglich pendeln 350.000 Menschen aus der EU in das Nicht-EU-Nachbarland.

Noch ist unklar, wann Verhandlungen wieder aufgenommen werden können. Die Kommission kündigt an, die Interessengruppen zu informieren, sobald sich neue Entwicklungen im Zusammenhang mit der Anerkennung von Medizinprodukten ergeben. Mehr zum Handel mit der Schweiz gibt es auf der Webseite der EU-Kommission.

Ulrike Wisser