Expertenpanel empfiehlt spezielle öffentliche Vergabestrategien für den Gesundheitsbereich

Das Expertpanel der Europäischen Kommission zu effektiven Wegen öffentlicher Investitionen im Gesundheitsbereich legte jetzt eine Position zu dem Thema öffentliches Beschaffungswesen in den Gesundheitssystemen vor. Diese Fachgruppe arbeitet zu unterschiedlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Finanzierung öffentlicher Gesundheitsversorgung, mit der sie jeweils von der EU-Behörde beauftragt wird.

In der neuesten fachlichen Meinung des Expert Panels geht es um die Frage, wie die öffentliche Auftragsvergabe im Gesundheitswesen effektiver den Besonderheiten diese Bereiches Rechnung tragen kann.

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Angesichts der steigenden Gesundheitskosten in der EU insgesamt wurde das öffentliche Beschaffungswesen zunehmend als Instrument zur Entwicklung von Effizienz und zur Verbesserung der Gesundheitsergebnisse eingesetzt. Das Expertengremium wurde gebeten, die aktuellen Herausforderungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe im Gesundheitswesen zu beschreiben und Empfehlungen für mögliche Lösungen zu benennen. Die Expert*innen haben sich dabei auf die drei Bereiche Arzneimittel, Gesundheitstechnologien und e-Health-Dienste konzentriert. In ihrem Dokument „Public Procurement in Healthcare Systems - Opinion of the Expert Panel on effective ways of investing in Health“ beschreiben sie die dort ausgemachten Schwierigkeiten, zu denen sie vor allem die Komplexität des Beschaffungsprozesses, Machtungleichgewichte und die Rolle des Beschaffungswesens bei der Förderung übergreifender Ziele der öffentlichen Ordnung zählen.

Grundsätzlich weisen sie darauf hin, dass es im Gesundheitsbereich nicht für alle ausgeschriebenen Leistungen einen wettbewerbsorientierten Markt gibt, also keine Bewerberkonkurrenz besteht, was beispielsweise die Auswahl eines wirtschaftlich günstigen Angebots erschwert. Außerdem sind manche Gesundheitsdienstleistungen komplex, was nur eine kleine Gruppe von Anbietern anspricht und die Kosten erhöht.

Fehlende Kompetenz und Professionalisierung im Beschaffungswesen, fehlende Sachkenntnis über den Markt, Korruption und schlechtes Management sowie die Sondersituation in Notfällen sind die vier Felder, die das Panel als Problembereiche ausfindig gemacht hat. Demgemäß beziehen sich die Empfehlungen auf diese Bereiche. Dem Beschaffungswesen in Notfallsituationen ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

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Das Panel sagt, dass in der öffentlichen Gesundheit zunehmend anerkannt werde, dass öffentliche Ausschreibungen von den Vergabestellen und dem dortigen Personal spezielle Fähigkeiten und Kompetenzen erfordert. Dazu gehört nach Auffassung der Fachgruppe ein detailliertes Verständnis der Organisation und Struktur von Gesundheitsdiensten, einschließlich der komplexen Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Gruppen von Gesundheitspersonal, ein Wissen über die sich ändernden Technologien und über den Entwicklungsstand bei den Versorgungsmodellen. Die Qualifizierung in das Personal ist wichtig. Dazu gehören diejenigen, die an der Beschaffung von Waren, Dienstleistungen und Bauleistungen beteiligt sind, als auch diejenigen, die für die Überwachung des öffentlichen Auftragswesens zuständig sind, wie z. B. Wirtschaftsprüfer. Die Fachgruppe unterstreicht die Bedeutung der Rekrutierung, Entwicklung und Bindung solcher Personen, wobei die Bedeutung der Attraktivität ihrer Positionen in einem wettbewerbsorientierten Markt anerkannt werden müsste. Es sollten außerdem Instrumente und Methoden zur Unterstützung der professionellen Beschaffungspraxis eingeführt werden, insbesondere die elektronische Auftragsvergabe, mit IT-Lösungen, die den Zugang zu Informationen verbessern, Größenvorteile schaffen und Standardisierung und Interoperabilität fördern können.

Die Fachleute empfehlen spezifische Einkaufsstrategien für den Gesundheitssektor, die gemeinsam von den öffentlichen Einkäufern und Entscheidungsträgern entwickeln und auf innovativere, effizientere und nachhaltigere Gesundheitssysteme ausgerichtet werden sollten.

Außerdem schlagen sie vor:

  • die Qualität der Beschaffung von Gesundheitstechnologien zu verbessern

  • die Besonderheiten der Beschaffung von E-Health-Produkten anzugehen und geeignete Antworten zu entwickeln

  • ausdrücklich anzuerkennen, dass das öffentliche Auftragswesen dazu beiträgt, die Ziele des Sektors zu erreichen, einschließlich einer Verbesserung der Gesundheit.

Last but not least finden sie auch, dass die grenzübergreifende Kooperation bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gestärkt werden sollte, um die Vorteile besser als bisher nutzen zu können.

Die Autor*innen betonen, dass die Stellungnahme nicht als Argument dafür dienen soll, öffentliche Aufträge im Gesundheitsbereich zu verneinen. Auch für diesen öffentlichen Sektor gelten die EU-Vergabevorschriften, unterstreichen sie. Wichtig sei vielmehr, die spezifischen Bedingungen für den jeweiligen Inhalt des Beschaffungsvorgangs zu berücksichtigen und fachlich angemessene professionelle Verfahren einzuführen.

Ein 2-seitiges Factsheet zur Stellungnahme ist hier zu finden.

Ulrike Wisser