Wissenschaftlicher Dienst des EP empfiehlt stärkere Berücksichtigung des Mittelstandes in der europäischen Industriepolitik

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Der Ausschuss des Europäischen Parlaments für Industrie, Forschung und Energie hatte eine Studie bei seinem wissenschaftlichen Dienst zur Rolle von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der neuen Industriestrategie der EU in Auftrag gegeben. Die Abgeordneten wollen wissen, wie die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen in der digitalen Umgestaltung und dem Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft besser berücksichtigt werden können.

Die diesbezügliche Studie mit dem Titel „SME focus - Long-term strategy for the European industrial future“ liegt jetzt vor. Sie beschreibt den EU-Ansatz bei der Gestaltung einer zukunftsorientierten Industrie und der Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen, geht auf die unterschiedlichen Unterstützungsformate der EU für KMU ein und formuliert Empfehlungen für die Mitglieder des ITRE-Ausschusses.

Die Autor*innen der Studie empfehlen als wesentliche Erkenntnis aus ihrer Untersuchung, zukünftig das Prinzips Think Small First „Vorrang für den Mittelstand“ in der EU-Politik strikt anzuwenden. Gesetze und Strategien sollten zum frühest möglichen Zeitpunkt auf ihre Auswirkungen auf kleinste, kleine und mittlere Firmen hin überprüft werden. Außerdem sprechen sie sich dafür aus, bei der Unterstützung von KMU in der parallel laufenden digitalen und grünen Umstellung verschiedenartige Strategien für unterschiedliche KMU-Segmente zu entwickeln.

Es geht den Fachleuten darum, die Heterogenität der 23. Mio. KMU in der EU zu beachten. Genauso heterogen seien auch die Bedarfe, wenn es darum gehe, die Doppelherausforderungen von Klimaschutz und Digitalisierung zu bewältigen. Sie sehen einen Unterstützungsbedarf vor allem in drei Bereichen: Kapazitätsaufbau und Kompetenzentwicklung, Abbau von Verwaltungsanforderungen sowie Verbesserung von Marktzugängen und Zugang zu Finanzen.

Nach Auffassung der Expert*innen wurde seit der Einführung des Think Small First-Prinzips durch den „Small Business Act“ im Jahre 2008 nicht viel dafür getan, die Bedürfnisse von KMU in den übergreifenden industriepolitischen Fragen zu thematisieren und das Prinzip anzuwenden.

Deshalb rät die Studie dazu, erst einmal bestehende Probleme in Verbindung mit aktuellem EU-Recht zu lösen, bevor neue Gesetze und Impakt-Assessments auf den Weg gebracht werden. Allerdings sollte bei der Vorab-Bewertung von Initiativen und Maßnahmen im Kontext der wirtschaftlichen digitalen und klimafreundlichen Zukunft darauf geachtet werden, dass KMU nicht als homogener Bereich gesehen wird. Transformationen und die damit verbundenen Anforderungen gestalten sich unterschiedlich für Mikro- und kleinste Unternehmen, für mittelgroße oder größere Firmen. Es gäbe im Mittelstand solche, die nachziehen und andere die vorangehen. Differenzierte Strategien könnten besser als bisher gewährleisten, dass nicht nur die leitenden Innovatoren und Vorreiter in den Blick genommen werden, sondern die gesamte Breite von KMU auch in den zentralen Strategien der EU Berücksichtigung findet.

Im Prozess eines erfolgreichen Wandels geht es den Firmen nicht hauptsächliche um technische und finanzielle Fragen, lautet eine weitere Erkenntnis. Unterstützung sei besonders in den Bereichen Personalentwicklung und Unternehmensperspektive notwendig. Die Studie regt an, europäische Ziele – komplementär zu nationalen – im Zusammenhang mit der Umgestaltung für den Mittelstand zu definieren und die Maßnahmen der EU daran auszurichten. Die Abgeordneten im Industrieausschuss könnten diese Idee aufgreifen und weiter kommunizieren.  

Webseite zur KMU-Politik des Europäischen Parlaments  

Ulrike Wisser