Gemeinsame EU-Maßnahmen zur Bekämpfung von Arzneimittelknappheit gefordert

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Mehrere europäische Interessengruppen fordern erneut eine bessere Zusammenarbeit der EU, um das Problem der Arzneimittelknappheit in Europa zu lösen.

Der Mangel bestimmter Arzneimittel in der EU ist schon lange ein Thema in der europäischen Gesundheitspolitik, aber die Covid-19 Pandemie hat dies noch verstärkt und verdeutlicht. Betroffene Interessengruppen reagieren.

Die Europäische Allianz für öffentliche Gesundheit veröffentlichte Ende April dieses Jahres eine Stellungnahme und drängt, dass die Lösung des Problems nicht länger warten kann. Mangel an Medikamenten stelle eine große Gefahr für die Gesundheit, die Sicherheit und die Versorgung von Patient*innen dar, argumentiert sie. Die Europäische Allianz für öffentliche Gesundheit ist ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen, die Patientengruppen und themenbezogene Verbände vertreten. Sie weist darauf hin, dass zu den bekannten Ursachen für den Mangel, wie Herstellungs- und wirtschaftliche Entscheidungen, der Nachschub sich nun auch für Medikamente schwierig gestaltet, die für Covid-19-infizierte Menschen benötigt werden.

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In ihrer Stellungnahme “Universal access and affordable medicines – EPHA position on medicines shortages in Europe” empfiehlt das Netzwerk neun Handlungsstränge. Danach sollte der rechtliche Rahmen für Arzneimittel in der EU dahingehend gestärkt werden, dass die Meldung von fehlenden Medikamenten verbessert und Genehmigungsstellen sowie Großhändler eher verpflichtet werden, den Markt zu bedienen. Frühwarnsysteme sollten national und auf der europäischen Ebene eingeführt werden. Neue Leitlinien sollten dazu beitragen, im Falle von Knappheit den freien Verkauf von Medikamenten zu beschränken. Leitlinien werden ebenfalls für eine umsichtige Ausschreibungspraxis in der EU gefordert, um dem Fehlen von generischen Medikamenten vorzubeugen.

Auf EU-Ebene soll, so möchte es die Allianz, ein permanentes Überwachungssystem eingerichtet und eine Studie zu den Auswirkungen fehlender Angebote auf die Gesundheit von Patienten, auf Behandlungen und die Krankenpflege durchgeführt werden.

Auch der Ständige Ausschuss europäischer Mediziner*innen, dessen Vorsitzender aktuell Prof. Dr Frank Ulrich Montgomery ist, haben sich zu dem Thema positioniert. Arzneimittelknappheit besteht in allen Staaten der EU und braucht deshalb eine europäische Antwort, sagen die Ärzt*innen. Auch sie sprechen sich für ein gemeinsames Monitoring und für eine stärker grenzüberschreitende Zusammenarbeit aus, einzelne nationale Lösungen könnten das Problem nicht lösen. Sie halten eine größere Diversifikation bei der Versorgung für notwendig, auch um von der Produktion außerhalb Europas unabhängiger zu werden. Das gilt insbesondere für unverzichtbare Medikamente. Die Unterzeichner fordern die Europäische Kommission auf, den bestehenden Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel durchzusetzen und Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen. Damit solle Anbietern von unentbehrlichen Medikamenten eine Verpflichtung auferlegt werden, diese als öffentliche Leistungsanforderung einzustufen.

Die EU-Institutionen sind grundsätzlich schon seit längerem sensibilisiert. Der Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments wurde im letzten Jahr von der europäischen Zivilgesellschaft aufgefordert, eine eigene Initiative dazu auf den Weg zu bringen. Dies ist zwar bisher nicht geschehen, aber dem Ausschuss ist klar, dass es erweiterte Rahmenbedingungen für eine grenzüberschreitende Kooperation in dem Bereich braucht.

Auch im Rat der EU ist es Thema. So hatte Ende letzten Jahre die Niederlande eine bessere  Zusammenarbeit bei der Lagerhaltung und auch bei Anreizen für die Produktion von Arzneimitteln in der EU vorgeschlagen. Das wurde von einigen, besonders kleineren Staaten unterstützt, die stärker unter knappen Vorräten leiden. Das Problem von Engpässen steht immer wieder auf der Agenda des Rates, zuletzt beim informellen Rat der Gesundheitsminister*innen am 12. Mai. Im Rat gab es einen Austausch zu der angekündigten Arzneimittelstrategie der Kommission. Für einige Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen in dem Bereich mit der im März dieses Jahres veröffentlichen EU-Industriestrategie und dem angekündigten Wiederaufbauplan für die Wirtschaft verbunden werden.

Auch die Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sprach das Problem in der virtuellen Ratssitzung an. Die Coronavirus-Pandemie zeige sehr klar, dass die EU eine neue Strategie brauche, um die Sicherheit, Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit von Arzneimitteln sicher zu stellen. „Wir müssen die Mittel schaffen, damit Medikamente in Europa hergestellt werden und essenzielle Arzneimittel Bürgern und Krankenhäusern immer zur Verfügung stehen“. Angekündigt ist der Strategievorschlag für das letzte Quartal in diesem Jahr.

Ulrike Wisser