Belohnt auf den letzten Metern der EU-Ratspräsidentschaft

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Die Vertretung Baden-Württembergs bei der EU in Brüssel lud am 15. Dezember 2020 zu einem Livestream ein, um Bilanz zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu ziehen.

Der Erfolg des Europäischen Rates fünf Tage vor diesem Termin machte es dem Botschafter Michael Clauß, Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union möglicherweise etwas leichter, einen Rückblick zu geben und Fazit zu den fast sechs Monaten Leadership zu ziehen.

Der von der europäischen Community in Brüssel freundlich als Corona-Präsidentschaft bezeichnete Vorsitz Deutschlands im Rat der EU war vom Umgang mit und der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie bestimmt. Das bestätigte der Botschafter in seiner kurzen Bilanz. Für ihn zeichnete sich die Arbeit durch eine permanente Krisenintervention aus. Die wesentlichen Ergebnisse werden seiner Auffassung nach in den Beschlüssen des Europäischen Gipfels vom 10. und 11. Dezember deutlich. Die EU sei in den zentralen Themen weitergekommen, sagte er. Dazu gehören die Einigung zum Aufbaufonds und zum siebenjährigen Budget der EU sowie zu den gemeinsamen Klimazielen. Damit wurde Deutschland ein Erfolg noch auf den letzten Metern der Präsidentschaft vergönnt. Was nicht so sehr in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, für ihn aber eine wichtige Leistung ist; der Vorsitz hat die EU zusammengehalten. Er bezieht das auf unterschiedliche Fragestellungen, aber gerade auch mit Blick auf die Pandemie wurden die unterschiedlich betroffenen Staaten nicht allein gelassen, meinte er.

Als schwierig hat er das Verhandlungsmarathon zu den Themen, wie Budgets, Rechtstaatskonditionalität etc. wahrgenommen. Die Beratungen seien nicht nur zwischen den Staaten, sondern auch zwischen den EU-Institutionen nicht durchgehend leicht gewesen. Immer wenn eine Hürde geschafft war, kam die nächste und es war nicht klar, ob diese zu schaffen ist, so beschrieb er die Erfahrungen aus Sicht eines der obersten Verhandlungsführers.

Botschafter Michael ClaußQuelle :Ständige Vertretung Deutschlands bei der EU

Botschafter Michael Clauß

Quelle :Ständige Vertretung Deutschlands bei der EU

Er nannte auch die Dossiers, bei denen sich Deutschland mehr Fortschritte gewünscht hätte. Dazu gehören der Brexit bzw. das Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich, die Asyl- und Migrationspolitik, die Konferenz zur Zukunft Europas und die Zusammenarbeit mit China. Auch bei der EU-Erweiterung hatte die deutsche Regierung daran gearbeitet, eine zufriedenstellende Entscheidung im Rat herbeiführen zu können. Botschafter Claus wies darauf hin, dass ein Abkommen mit UK theoretisch noch bis Ende Dezember möglich sei. Themen, wie die Konferenz zur Zukunft Europas und das Paket Migration und Asyl wird Deutschland allerdings an den nächsten Vorsitz Portugal weitergeben. Die Migrationsfrage glaubt der Botschafter, werde auch die übernächste Präsidentschaft noch mit dem Staffelstab erhalten, da es eine schwierige Thematik sei.

Der Ständige Vertreter bejahte auf Nachfrage, dass die Probleme bei den Verhandlungen während der Präsidentschaft auf die Pandemie, aber auch auf strukturelle Probleme zurückzuführen sind. Es gebe Gräben und strukturelle Probleme, Gräben beispielsweise bei den Fragen zu Finanzen und bei der Rechtsstaatlichkeit, erklärte er die Lage. Die verschiedenen Unstimmigkeiten sieht er als heikel an. Und auch das noch in vielen Fällen anzuwendende Einstimmigkeitsprinzip im Rat würde die Arbeit eines Vorsitzlandes nicht erleichtern.

Auch wenn in den sechs Monaten vorwiegend die politischen Schwergewichte im Zentrum der Öffentlichkeit standen, wie Covid-19, Aufbauplan, Budgets und Brexit, hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft eine große Anzahl von fachpolitischen Fragestellungen in den Rat eingebracht, zu denen unterschiedliche Positionierungen erreicht wurden.

Ulrike Wisser