EU-Rat spricht sich für die Modernisierung der öffentlichen Auftragsvergabe aus

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In seinen Ende November 2020 angenommenen Schlussfolgerungen spricht sich der Rat der EU dafür aus, die Praxis und die rechtlichen Regeln für die öffentliche Auftragsvergabe in der Union zu überprüfen und zu modernisieren. Dadurch soll erreicht werden, öffentliche Ausgaben effektiver einzusetzen und damit gleichzeitig deren Umfang zu erhöhen.

Mit der politischen Positionierung bringt der Rat die Frage in die Debatte, wie mit dem öffentlichen Auftragswesen die wirtschaftliche Erholung in der EU unterstützt und eine nachhaltigere und resiliente Wirtschaft gefördert werden kann. Aus dem Text wird deutlich, dass die Mitgliedstaaten dazu bereit sind, bestehende europäische Regularien zu überprüfen und die Vergabepraxis anzupassen. So appelliert der Rat in seinen Schlussfolgerungen an alle zuständigen Behörden auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene, eng bei dem Anpassungsprozess zusammen zu arbeiten. Es geht ihm darum, das öffentliche Beschaffungswesen besonders hinsichtlich der Erholung und der Bekämpfung zukünftiger Krisen effizienter zu gestalten und richtige Anreize für ein innovatives und nachhaltiges Wachstum in der EU durch eine moderne Vergabepraxis zu geben. Außerdem soll durch die Art und Weise der öffentlichen Vergabe die Robustheit der Wirtschaft unterstützt werden. Mit ca. 14 %, die öffentliche Investitionen im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge am BIP der EU zumindest vor der Pandemie eingenommen haben, kann die öffentliche Hand einen bedeutenden Beitrag leisten, meinen die Ratsmitglieder.

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Der Rat fordert eine Beschleunigung öffentlicher Investitionen in der aktuellen Situation, unter der weiteren Einhaltung von Transparenz, Gleichbehandlung, fairen Wettbewerb und Integrität bei der Vergabe. Der Rat ruft die politisch Verantwortlichen der EU-Staaten dazu auf, Entscheidungsträger für gut funktionierende Strukturen öffentlicher Auftraggeber zu sensibilisieren, weiterhin in das Fachwissen und die Professionalisierung der öffentlichen Auftraggeber und zentraler Beschaffungsstellen zu investieren und ihre Kapazitäten auszubauen, damit strategische Prioritäten besser verfolgt werden. Zu denen gehören nach Sicht des Rates vor allem die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Behebung des sozioökonomischen Schadens infolge der Covid-19-Krise, die Unterstützung von KMU sowie die Ziele im Hinblick auf die ökologische und digitale Transformation.

Beschleunigung heißt für den Rat auch, die öffentliche Beschaffung zu vereinfachen, z.B. über die Verringerung des Verwaltungsaufwands und den Abbau von verfahrenstechnischen Einschränkungen. Deshalb sollen die Effizienz und Wirksamkeit der aktuellen Vergabesysteme  öffentlicher Aufträge geprüft werden. Vor diesem Hintergrund wird die Kommission gebeten, die wirtschaftlichen Auswirkungen zu überprüfen, die die Anwendung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge in Branchen hat, in denen möglicherweise kein grenzüberschreitendes Interesse besteht. Als Beispiel nennt sie hierfür die Jugendhilfe und den Altenpflegebereich. Wenn nötig, könnten auch bestimmte sektorspezifische Regeln verändert werden. Der Rat wünscht sich darüber hinaus, den Anwendungsbereich der Richtlinie zur öffentlichen Auftragsvergabe zu präzisieren, insbesondere hinsichtlich der Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Veröffentlichung. Eine solche Präzisierung der Regeln sollte zu Leitlinien führen, die genaue Angaben zu den Gründen sowie eine Liste möglicher Beispiele für besonders empfindliche Branchen beinhalten.

Ein weiteres Thema, das der Rat aufgreift, ist die Vergabe öffentlicher Aufträge für nachhaltige und innovative Lösungen. Um hierzu Entscheidungen zu treffen, braucht es nach Auffassung der Regierungsvertretungen mehr Wissen und Handlungsanregungen. Die Staaten wollen ein europäisches Netz von Beratungsplattformen einrichten, das die Kommission unterstützen soll. Außerdem sollen bewährte Verfahren zusammengestellt und verbreitet und das gegenseitige Voneinander-Lernen gestärkt werden.

Ulrike Wisser