EU4Health geht in die finale Verhandlungsrunde

Die Gesundheitsminister*innen stimmten Mitte Oktober im Rat ihren gemeinsamen Standpunkt zum zukünftigen Gesundheitsprogramm der EU - EU4Health – ab. Gleichzeitig nahm der Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments seine Position zu dem Finanzinstrument an, die im Plenum des EP Anfang November bestätigt werden soll.

Inhaltlich liegen die beiden EU-Institutionen nicht so weit auseinander, allerdings bei der Mittelausstattung sind die Meinungen sehr unterschiedlich. Die Europaabgeordneten fordern die ursprünglich durch die Kommission vorgeschlagenen 9,4 Mrd. € für eine siebenjährige Laufzeit. Sie gehen davon aus, dass es ausreichend Finanzen braucht, um eine öffentliche Gesundheitsförderung und die Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme überall in der EU zu steigern. Der Gesundheitsrat andererseits musste sich nach dem Beschluss der Regierungschefs und -chefinnen vom Juli dieses Jahres richten, der rund 1,9 Mrd. € vorsieht.

Quelle: Euractiv.com

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Ein Unterschied von 7,5 Mrd. € spiegelt sich dann natürlich auch in den Zielen und dem Aktionsradius eines solchen Programms wider. Nach Auffassung des EP sind höhere Investitionen in die Gesundheitssysteme erforderlich, insbesondere in die Infrastruktur und auf der Ebene der Primärversorgung, um eine langfristige Stärkung der Gesundheitssysteme zu erreichen. Für die Abgeordneten ist es wichtig, dass die EU seinen Zuständigkeitsumfang im Gesundheitsbereich ausfüllt. Mit dem Programm sollen künftigen Gesundheitsgefahren wie Pandemien, grenzüberschreitende Krankheitsprobleme oder Antibiotikaresistenzen begegnet werden. Die finanzielle Unterstützung soll außerdem den Mitgliedstaaten helfen, sich auf die aktuellen und zukünftigen gesundheitspolitischen Anforderungen vorzubereiten. 

Der Rat stellt in seinem Standpunkt stärker die komplementäre Rolle von EU4Health heraus. Mit dem Programm sollten Maßnahmen in Bereichen gefördert werden, wo die EU einen nachweisbaren Mehrwert bringt. Dazu gehören mehr fachpolitische Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten, die Unterstützung von Netzwerken für das gegenseitige Lernen und den Wissensaustausch, das Handeln bei grenzübergreifenden Gesundheitsgefahren sowie die gemeinsame Arbeit bei Themen zur  Gesundheitswirtschaft im Binnenmarkt. Ziel ist es, hochwertige EU-weit nutzbare Lösungen gemeinschaftlich zu befördern. Die Staaten wollen darüber hinaus stärker zusammenarbeiten, wenn es um Innovationen im Gesundheitsbereich geht. EU4Health soll damit eindeutig auf den zusätzlichen Nutzen ausgerichtet sein, den die europäische Kooperation mit sich bringt. So wird es im aktuellen Programm bereits umgesetzt, allerdings mit weniger Mitteln. Deshalb soll es auch eine klare Abgrenzung zu anderen EU-Fonds geben, die Gesundheit vor allem über die nationale Umsetzung fördern, wie die Europäischen Strukturfonds oder der neue Aufbaufonds der EU.

Beide EU-Institutionen verfolgen für das Programm ein breites gesundheitspolitisches Verständnis. Sei es durch Investitionshilfe in den Staaten oder eher durch eine vorwiegend grenzüberschreitende fachliche Kooperation, die Inhalte sind ähnlich. Es geht um die Modernisierung von Gesundheitssystemen, um die Prävention und die Förderung eines gesunden Lebensstils, den Abbau von Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung, aber auch um die gemeinsamen Themen, die die EU-Staaten eint. Dies sind u.a. die Arzneimittelstrategie, Impfstoffe, die Bekämpfung von Krebs, chronischen und seltenen Krankheiten, die Frage der Fachkräfte und die Digitalisierung. Der Rat und das EP setzen sich im Unterschied zum Kommissionsvorlage dafür ein, Themen, wie altersbezogene Krankheiten und Behinderungen (Demenz) sowie psychische Gesundheit im EU4Health mehr Raum zu geben.

Quelle: Europäische Kommission

Quelle: Europäische Kommission

Für die Umsetzung des Programms sollte eine Steuerungsgruppe eingerichtet werden, in der nach Auffassung des Rates Kommissions- und Mitgliedstaatenvertreter zusammen arbeiten. Das EP spricht sich dafür aus, das Gremium für eine Mitarbeit von unabhängigen Gesundheitsexpert*innen, Patientenvertretungen und anderen Stakeholdern auszurichten. Dies soll die Einbindung von wissenschaftlicher Expertise und die Schnittstellen mit anderen EU-Fonds sicherstellen.

Für die konkrete Finanzierung von Maßnahmen sieht der Rat eine Maximalförderung von 60 % aus dem Programm vor. Ausnahmen soll es für die Fälle geben, bei denen verstärkt Länder beteiligt sind, deren Bruttoinlandsprodukt niedriger als 90 % des EU-Durchschnitts ist.

Wenn das Plenum des EP seine Position in der Sitzung am 11. und 12. November annimmt, beginnen  die sogenannten Triloggespräche zur Aushandlung des finalen Beschlusstextes.

Ulrike Wisser