Überprüfung von Wettbewerbsbedingungen und Beihilferegeln im Industrie- und Wettbewerbsportfolio der neuen EU-Kommission

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Die Vorbereitungen zur Zusammensetzung des neuen Kollegiums der Europäischen Kommission für die Zeit ab 1. November 2019 sind in vollem Gange und geben Anlass zu vielfältigen Spekulationen. Kommissionspräsidentin von der Leyen scheint über eine Umstrukturierung des Kollegiums hinsichtlich Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten nachzudenken. So sollen – heißt es aus Kreisen Brüsseler EU-Medien – die Funktionen der Vizepräsidenten mit mehr Macht und Gestaltungsraum ausgestattet werden. Ausgehend von ihren inhaltlichen Zuschnitten sollen die stellvertretenden Vorsitzenden der Europäischen Kommission ihre Teams aus Kommissaren und Kommissarinnen selbst zusammen stellen und einen stärkeren Zugriff auf deren politische Beamte erhalten können.

Im Gespräch für die beiden Vizepräsidenten-Stellen sind die Kommissare der aktuellen Kommission Frans Timmermans (Niederlande) and Margrethe Vestager (Dänemark). Diesen sollen übergreifende zentrale politische Strategien zugeordnet werden, wie beispielsweise Industrie und Wettbewerb, der von von der Leyen angekündigte „europäische Grüne Deal“, aber auch die Digitalisierung. Gerüchte lassen außerdem vermuten, dass die Zuständigkeit für Industrie und Wirtschaft an Margrethe Vestager gehen könnte.

Margrethe Vestager ist amtierende Wettbewerbskommissarin. Wettbewerbspolitik ist Teil der Industrie- und Wirtschaftspolitik der EU. In der Wettbewerbspolitik stehen für die neue Amtszeit unter anderem die Überprüfung der europäischen Beihilferegeln an, aber auch die Bewertung bestimmter Wirtschaftssektoren auf mögliche Wettbewerbsprobleme hin. Letzteres visiert insbesondere Industriebereiche an, die sich aufgrund von Digitalisierung, Umweltschutzanforderungen, verstärkte Datennutzung und künstliche Intelligenz verändern. Die Europäische Kommission kann Untersuchungen in Wirtschaftszweigen durchführen, wenn sie über Anhaltspunkte für Wettbewerbsverfälschungen verfügt. Solche Untersuchungen haben zum Ziel, wettbewerbliche Fehlentwicklungen zu erkennen und bei Bedarf rechtliche Vorgaben für einen klaren Umgang festzulegen.

Die unterschiedlichen Regelungen zu staatlichen Beihilfen sollen einer Überprüfung unterzogen werden. Ein sogenannter Fitness-Check steht an, teilweise weil die Laufzeit der Gesetzesgrundlagen endet, aber auch weil Anpassungen aufgrund neuer Entwicklungen als notwendig erachtet werden.  So wird die allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) überarbeitet. Ziel ist es, das Zusammenspiel zwischen EU-Förderprogrammen und Beihilfevorschriften in der neuen Förderperiode zu verbessern und Beihilfen zu vereinfachen. Auch die staatlichen Beihilfen für Gesundheits- und Sozialdienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse werden einem Check unterzogen. Mit ihrer Bewertung möchte die Kommission herausfinden, ob die Regelungen zur Berücksichtigung der Sonderstellung dieser Dienstleistungen weiterhin der Praxis und dem Beihilfeverständnis gerecht werden. Diese Überprüfung wird von der Kommission als notwendig erachtet, da sich die Sozial- und Gesundheitsmärkte der Mitgliedstaaten der EU verändern.

Was das neue Kommissionskollegium angeht, so werden die nächsten Wochen Klarheit zur Arbeitsweise der neuen Kommission, der inhaltlichen Zuschnitte und der strategischen Prioritäten bringen. Bevor das Kollegium seine Arbeit aufnehmen kann, muss jeder Kandidat und jede Kandidatin eine Anhörung vor dem Europäischen Parlament durchlaufen.  

Ulrike Wisser