Europäische Kommission veröffentlicht nationale Gesundheitsberichte
Mit der Vorlage Ende November von 30 nationalen Profilen zum Gesundheitsbereich und einem vergleichenden Begleitbericht verabschiedete sich der scheidende Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis. In seiner Amtszeit führte er die Initiative zur Verbreitung der Wissensgrundlage für die Gesundheitspolitik in Europa unter dem Titel “The State of Health in the EU” ein.
Mit der Initiative sollen Informationen, Expertise und gute Praxis aus den Gesundheitssystemen der EU aufbereitet und für Entscheidungsträger, Politik und weitere Gesundheitsakteure zugänglich gemacht werden. “The State of Health in the EU” besteht aus zwei Teilen, die zeitversetzt veröffentlicht werden: einem Bericht mit Daten und Statistiken zur Situation der Gesundheit und dem Stand der Gesundheitssysteme in der EU sowie den Länderberichten mit aktuellen Entwicklungen und gesundheitspolitischen Herausforderungen in den EU-Staaten, Island und Norwegen.
Die jetzt vorgelegten Länderprofile, die von Fachleuten der OECD und dem Europäischen Observatorium für Gesundheitssysteme und Politiken erarbeitet wurden, sind eine Aktualisierung der erstmals im Jahr 2017 publizierten nationalen Berichte. Sie geben, neben der Kurzbeschreibung grundsätzlicher Gesundheitsdaten Auskunft über aktuelle Entwicklungen und bewerten die Systeme hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen bei der Wirksamkeit, dem Zugang und der Anpassungsfähigkeit. Die Europäische Kommission nutzt die Erkenntnisse zum Weiterentwicklungsbedarf insbesondere, um gemeinsame Themen aller Länder herauszukristallisieren und fachbezogene Maßnahmen für das Voneinander-Lernen und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Staaten vorzuschlagen. Diese gemeinsamen Trends und Herausforderungen sind in einem begleitenden Bericht zusammengefasst. Die Autoren nennen als Gemeinsamkeiten die Themen Impfskepsis, die digitale Transformation, Zugang und Versorgung, Qualifikationsmix und innovative und nachhaltige Arzneimittel.
Die Impfskepsis wird angeführt, da diese als große Bedrohung für die öffentliche Gesundheit in ganz Europa gesehen wird. Um dem zu entgegnen, sollte die Gesundheitskompetenz der Bürger und Bürgerinnen verbessert und die Desinformation bekämpft werden. Das Gesundheitspersonal sollte eine aktivere Rolle bei der Aufklärung übernehmen, heißt es im Bericht. Im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel bei der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention, fällt auf, dass Menschen, die am meisten von der mobilen Gesundheitsversorgung und anderen digitalen Instrumenten profitieren würden, oft am schwierigsten einen Zugang dazu erhielten. Dies müsse gesundheitspolitisch Berücksichtigung finden.
Um bei dem Anspruch des vollständigen Zugangs zur Gesundheitsversorgung weiter zu kommen, empfehlen die Experten, hierbei die hemmenden Faktoren noch stärker zu untersuchen. Um die bestehenden Barrieren besser ausmachen zu können, sollten deshalb die klinischen Bedürfnisse als auch die sozioökonomischen Merkmale der Patientinnen und Patienten einbezogen werden.
Das im Zusammenhang mit der Fachkräfteentwicklung und den steigenden Anforderungen genutzte Konzept des „Qualifikationsmix“ meint u.a. die Verlagerung von Aufgaben unter den Beschäftigten des Gesundheitswesens und zielt insbesondere auf eine gestärkte Rolle von Krankenpflegekräften und Apothekern ab. Die Länderprofile bieten hierzu eine Reihe von guten Beispielen, die als Anregung dienen sollen.
Ein Fact-Sheet der Europäischen Kommission bietet einen schnellen Überblick über die gemeinsamen Fragestellungen in der EU und fasst Einstellungen dazu zusammen.
Die Country Health Profiles 2019 folgen alle derselben Struktur, was eine Vergleichbarkeit erleichtert. Sie enden mit zentralen von den Autoren und Autorinnen besonders zu betonenden Erkenntnissen, die auch als wesentliche Anhaltspunkte für die nationale Gesundheitspolitik verstanden werden können. So wird für Deutschland beispielsweise darauf hingewiesen, dass das deutsche Gesundheitssystem - trotz seiner moderaten Wirksamkeit - teurer als das der meisten anderen EU-Länder ist. Erfolgreich sei es bei der durch die Gesundheitsfürsorge vermeidbaren Sterblichkeit und es verfüge über erhebliche personelle und infrastrukturelle Ressourcen. Deutschland hat nach Frankreich die zweithöchsten Gesundheitsausgaben als Anteil am BIP in der EU zu verzeichnen. Die Kosten des deutschen Gesundheitssystems würden jedoch nicht den oft durchschnittlichen Gesundheitsergebnissen für die Bevölkerung entsprechen und Raum für weitere Effizienzsteigerungen zulassen, lautet eine der Bewertungen.
Vytenis Andriukaitis legt seiner Nachfolgerin, der neuen Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides, ans Herz, “The State of Health in the EU” auch für ihre Schwerpunkte zu nutzen. Eine zuverlässige Evidenzgrundlage sei nun mal der Schlüssel für die Politikgestaltung in Europa.