Europaparlament einigt sich auf Position zum Gesetz über digitale Märkte
In der letzten Plenarsitzung dieses Jahres nahm das Europäische Parlament seine Position zum Gesetzesvorschlag für digitale Märkte an, die die Grundlage für die Verhandlungen mit dem Rat der EU bildet.
Das vorgeschlagene Gesetz für “bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor” hat zum Ziel, große Plattformunternehmen stärker als bisher in ihren Informations- und Verbreitungsstrategien zu kontrollieren. Die neue EU-Verordnung gilt in erster Linie für die großen Anbieter sogenannter zentraler Plattformdienste, die besonders anfällig für unlautere Geschäftspraktiken sind. Dazu gehören Online-Vermittlungsdienste, soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Betriebssysteme, Online-Werbedienste, Cloud-Dienste und Videoplattformen, alles Anbieter, die einen Einfluss auf die Verbreitung von Informationen haben.
Die mit 642 Ja-Stimmen zu acht Nein-Stimmen bei 46 Enthaltungen angenommene Stellungnahme beinhaltet nach Aussage des EP weitergehende Auflagen und Verbote als vom Vorschlag vorgesehen. Bei den Schwellenwerten zur Festlegung, für welche Unternehmen die Regeln gelten, sehen die Abgeordneten einen Jahresumsatz von 8 Mrd. € Jahresumsatz im Europäischen Wirtschaftsraum vor, sowie 80 Mrd. € Marktkapitalisierung. Unternehmen müssen dem Text zufolge außerdem in mindestens drei Mitgliedstaaten zentrale Plattformdienste anbieten und mindestens 45 Millionen Endnutzer pro Monat sowie mehr als 10.000 gewerbliche Nutzer haben.
Die Abgeordneten setzen sich weiter für eine stärkere Regulierung bei der Nutzung von Daten für personalisierte oder auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittene Werbung ein, als auch für die Interoperabilität von Dienstleistungen und Dienste sozialer Netzwerke. Nutzer*innen sollen außerdem die Möglichkeit erhalten, vorinstallierte Software-Anwendungen von Plattformen jederzeit zu deinstallieren.
Das Gesetz sieht ebenfalls Beschränkungen für sogenannte Killer-Übernahmen vor. Wenn Unternehmen systematisch dagegen verstoßen, kann die Kommission Übernahmen zum Schutz des Binnenmarktes verhindern. Die von diesen Regeln betroffenen Unternehmen müssen die Kommission sogar über geplante Zusammenschlüsse informieren.
Auch der Umgang mit „Whistleblowern“ soll klarer werden. Mit dem neuen Regelwerk soll sichergestellt sein, so will es das EP, dass Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber die zuständigen Behörden auf mögliche Verstöße aufmerksam machen können. Gleichzeitig soll es sie vor Vergeltungsmaßnahmen schützen.
Berichterstatter des EP Andreas Schwab, Quelle: Europäisches Parlament
Der Berichterstatter Andreas Schwab von der EVP-Fraktion sieht in der Verabschiedung der Position ein starkes Signal. „Das Europaparlament stellt sich gegen unfaire Geschäftspraktiken der größten Digitalunternehmen“, sagte er aus Anlass der Abstimmung im EP, „wir werden dafür sorgen, dass die digitalen Märkte offen und fair sind“. Die Botschaft ist klar, meint er. Die EU werde die Regeln der sozialen Marktwirtschaft auch in der digitalen Sphäre durchsetzen. Das bedeute, dass der Gesetzgeber die Wettbewerbsregeln diktiere, und nicht die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" großer Digitalunternehmen.
Mit dem Mandat gehen die Unterhändler nun in die Verhandlungen mit dem Rat der EU, die im ersten Halbjahr 2022 unter französischem Ratsvorsitz beginnen.
Die Mitgliedstaaten haben ihre gemeinsame Position noch nicht beschlossen, da es unterschiedliche Auffassungen zu Fragen von digitaler Souveränität Europas und offenen Märkten gibt. Wie bereits berichtet, hat Frankreich in seiner Funktion als nächste Ratspräsidentschaft die Absicht, die Abstimmungen über die Digitalgesetze im ersten Halbjahr 2022 abzuschließen.