Zugänglichkeit, Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Arzneimitteln sind wesentliche Ziele der neuen Arzneimittelstrategie für Europa

Wie angekündigt hat die Europäische Kommission jetzt kurz vor Ende des Jahres die neue EU-Arzneimittelstrategie vorgelegt. Mit denen dort vorgeschlagenen legislativen und nichtlegislativen Vorschlägen soll perspektivisch erreicht werden, die bekannten Versorgungsprobleme zu lösen und die Voraussetzungen für die Produktion in der EU zu verbessern.

Als wesentliches Ziel ihrer Vorgehensweise nennt die EU-Behörde, die Zugänglichkeit, Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Arzneimitteln in Europa grundsätzlich zu gewährleisten. Patientinnen und Patienten sollen Arzneimittel zu erschwinglichen Preisen erhalten können, außerdem wird angestrebt, den unerfüllten medizinischen Bedarf, z. B. in den Bereichen antimikrobielle Resistenz, Krebs und seltene Krankheiten, zu decken. Eine weitere Absicht ist es, die Arzneimittelindustrie in der EU zu stärken, indem die Maßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Nachhaltigkeit der Branche unterstützen. Nicht überraschend richtet die Kommission ihren Ansatz auch darauf aus,  für die aktuelle Pandemie und zukünftige Krisen besser vorbereitet zu sein und die Versorgung abzusichern.

Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit brachte es auf einen kurzen Nenner. Sie sagte, dass die Kommission mit der Arzneimittelstrategie für Europa ihrer Zusage nachkomme, einen zukunftssicheren und patientenorientierten Arzneimittelmarkt zu schaffen, in dem die EU-Industrie innovieren, florieren und weiterhin ein weltweiter Vorreiter sein kann. Die Strategie sei Teil der langfristigen Vision für eine offene strategische Autonomie und die Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen sowie die durch Covid-19 aufgedeckten Schwachstellen.

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Erschwinglichkeit von Arzneimitteln ist ein wichtiges Thema, das vor allem in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Entscheidungen über Preisgestaltung und Erstattung von Arzneimitteln werden national festgelegt. Die EU-Exekutive bietet an, sich für mehr Transparenz und möglicherweise Konsens bei den Kostenkalkulationsgrundsätzen einzusetzen. Sie möchte mit den EU-Ländern durch nicht-legislative Maßnahmen wie Leitlinien zu diesen Grundsätzen und Kostenrechnungsmethoden enger zusammenarbeiten. Außerdem soll grundsätzlich die Kooperation der nationalen Behörden bei der Preisgestaltungs-, Zahlungs- und Beschaffungspolitik ausgebaut werden, um die Erschwinglichkeit und Kostenwirksamkeit von Arzneimitteln sowie die Tragfähigkeit des Gesundheitssystems zu verbessern.

Um die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der EU-Pharmaindustrie zu fördern, soll ein „stabiles und flexibles Regelungsumfeld“ geschaffen werden. Alle drei EU-Institutionen haben sich immer wieder dafür ausgesprochen, diesen Sektor in der EU besonders zu stärken. Er sei, so begründet die Kommission ihren Ansatz, eine „wichtige Triebkraft“ für die Schaffung von Arbeitsplätzen, Handel und Wissenschaft. Außerdem könne der Pharmasektor „den Bedürfnissen der Patienten am besten gerecht werden“.

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Ein förderndes Umfeld soll der Branche Rechtssicherheit für Investitionen bieten und den technologischen Trends Rechnung tragen, einschließlich „ausgewogener und fairer Anreize zur Belohnung und zum Schutz von Innovationen“. Sie sieht einen strukturierten Dialog mit und zwischen allen Akteuren der Arzneimittelherstellung und den Behörden vor. Darüber sollen z.B. Schwachstellen in der globalen Lieferkette für kritische Arzneimittel ermittelt und politische Optionen zur Stärkung der Kontinuität und Sicherheit der Versorgung in der EU gestaltet werden. Auch das Arzneimittelrecht der EU und die Regelungen für Arzneimittel sollen überarbeitet und vereinfacht werden.

Eine erste Debatte zum Kommissionsvorschlag im Plenum des Europäischen Parlaments zeigte, dass der überwiegende Teil der Abgeordneten die Ziele und Handlungslinien mitträgt. Sie hatten in der Vergangenheit das Problem der Arzneimittelknappheit selbst immer wieder kritisiert und einen Zugang für alle zu qualitativ hochwertigen Medikamenten gefordert. Einige Sprecher und Sprecherinnen unterstrichen die Notwendigkeit, die Abhängigkeit von Drittländern zu verringern, indem die Produktion in Europa erhöht und Innovationen in der Pharmaindustrie unterstützt werden. In der Debatte wurden eine Reihe von Forderungen gestellt, u.a. die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung seltener Krankheiten, für die es zurzeit keine Heilmittel gibt, Transparenz in den Zulieferketten für Arzneimittel, mehr öffentliche Beschaffung von Medikamenten durch die EU und die endgültige Annahme des im Verfahren stockenden Gesetzes für die Bewertung von Gesundheitstechnologien.

Ulrike Wisser