Richtlinienvorschlag für Mindestlohn in der EU vorgelegt
Die Europäische Kommission legte Ende Oktober ihren seit längerem angekündigten Vorschlag für ein EU-Gesetz vor, durch das in allen Mitgliedstaaten angemessene Mindestlöhne sichergestellt werden sollen. Die Richtlinie legt keinen einheitlichen Mindestlohn für alle Länder fest, sondern definiert einen Rahmen für die nationalen Regierungen, Mindestlöhne in ihren Ländern gemäß der bestehenden Gesetze und Traditionen auf angemessenem Niveau festzulegen. Außerdem soll es gewährleisten, dass Mindestlöhne auch allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugutekommen.
Mit der Initiative löst die Kommission ihr Versprechen ein, Grundsatz 6 der Europäischen Säule sozialer Rechte umzusetzen. Dieser besagt, dass Arbeitnehmer*innen Recht auf eine gerechte Entlohnung haben, die ihnen einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht.
Nicolas Schmit, Europäischer Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte
Der Europäische Beschäftigungskommissar Nicolas Schmit deutet in der Pressekonferenz zur Ankündigung des Vorschlags erneut darauf hin, dass fast 10 % der Beschäftigten in der EU in Armut lebt, was er geändert haben möchte. „Es darf nicht sein, dass Menschen, die einer Arbeit nachgehen, Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen. Mindestlöhne hinken anderen Löhnen, die in den letzten Jahrzehnten gestiegen sind, hinterher und müssen aufschließen“, sagte er. Deshalb sieht er die Kommissionsinitiative auch als Mittel für einen Bewusstseinswandel bei dem Thema. Tarifverhandlungen, sagt er, sollten in allen Mitgliedstaaten der Goldstandard sein.
Der europäische Rahmen respektiert die Festlegung von Mindestlöhnen in Form von tarifvertraglich festgelegten Löhnen oder in Form eines gesetzlichen Mindestlohns. Die vorgeschlagene Richtlinie definiert die gemeinsamen Ziele der EU, überlässt den Weg dahin aber den einzelnen Staaten. Der Text weist ausdrücklich aus, dass die nationalen Systeme, die Autonomie der Sozialpartner und die Entscheidungsmacht der Staaten unberührt bleiben. Gleichzeitig möchte die Kommission aber Tarifverträge als Form der Festlegung von Löhnen stärken. Deshalb verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten in Absprache mit den Sozialpartnern den Auf- und Ausbaus der Kapazitäten der Sozialpartner zu fördern, Tarifverhandlungen zur Lohnfestsetzung auf sektoraler oder branchenübergreifender Ebene zu führen.
Dort, wo Mindestlöhne gesetzlich geregelt werden, soll mit dem neuen Gesetz die Angemessenheit der Vergütung sichergestellt werden, indem Kriterien für die Festlegung der Höhe und der Anpassungen definiert werden. Diese Kriterien werden national bestimmt, sollen sich aber an den folgenden Tatsachen orientieren:
an der Kaufkraft der gesetzlichen Mindestlöhne unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten sowie der Steuer- und Sozialabgaben
am allgemeinen Niveau der Bruttolöhne und ihrer Verteilung
an der Wachstumsrate der Bruttolöhne und
der Entwicklung der Arbeitsproduktivität.
Um den Zugang zum Mindestlohn zu gewährleisten, sollen die Staaten die Kontrolle und den Schutz stärken. Dazu können Kontrollen und Inspektionen vor Ort von den Arbeitsaufsichtsbehörden oder sonstigen zuständigen Stellen intensiviert werden. Außerdem sollen klare Vorschriften helfen, gegen den Mindestlohn verstoßende Unternehmen rechtlich zu verfolgen. Die Kommission fordert wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen.
Quelle: DGB
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen einen Anspruch auf Rechtsbehelfe, einschließlich einer angemessenen Entschädigung und einen Zugang zu einer wirksamen und unparteiischen Streitbeilegung erhalten.
Die Europäische Kommission wird die Einhaltung der Richtlinie überwachen. Die Mitgliedstaaten müssen einmal im Jahr Angaben über die Höhe der Mindestlöhne und Variationen, über bestehende Abzüge und die tarifvertragliche Abdeckung zusammenstellen.
Der Vorschlag geht nun in das Gesetzgebungsverfahren, der Rat der EU und das Europäische Parlament müssen zustimmen. Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, erforderliche Maßnahmen zu ergreifen.