Intelligente Gesundheitsversorgung als ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamen europäischem Interesse vorgeschlagen

Die Europäische Kommission veröffentlichte jetzt die Empfehlung des Strategischen Forums für wichtige Vorhaben von gemeinsamen europäischem Interesse (IPCEI). Dies sind Vorhaben, die perspektivisch für die europäische Industrie und damit die europäische Wirtschaft besonders wertschöpfend sind. Die Europäische Kommission berief im letzten Jahr eine Expertengruppe aus Mitgliedstaaten und Industrie ein, um beraten zu werden. Die Aufgabe ist, Sektoren und Themen für wichtige Vorhaben zu empfehlen und verbundene Analysen zu unterstützen. Dieses sogenannte Forum empfiehlt sechs strategische und zukunftsorientierte Sektoren, die für IPCEI in Frage kommen. Der Bereich der „intelligenten Gesundheitsversorgung“ ist einer davon. Der Empfehlung liegen ein ausführlicher Bericht und detaillierte Begründungen zugrunde, die die jeweiligen Wertschöpfungsketten beschreiben.

Der Begriff der wichtigen Vorhaben von gemeinsamen europäischem Interesse wurde im Zusammenhang mit den Beihilferegeln der EU geschaffen. Es handelt sich dabei in der Regel um große Forschungs- und Innovationsprojekte mit erheblichen Risiken, die eine gemeinsame, gut koordinierte Entwicklungsarbeit sowie grenzüberschreibende Investitionen von Behörden und Industrie mehrerer Mitgliedstaaten voraussetzen.

Beihilferechtlich sind Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse als mit dem Binnenmarkt vereinbar definiert. Die schon länger bestehende, aber wenig genutzte Form öffentlich-privater Kooperation wurde von der Europäischen Kommission im Jahr 2014 neu vermarktet. Dies führte zu gemeinschaftlichen Vorhaben in der Mikroelektronik und beim Hochleistungsrechnen. So genehmigte die Kommission Ende letzten Jahres staatliche Beihilfen für öffentliche Investitionen in Höhe von 1,75 Mrd. € für Ausbau und Forschung der Mikroelektronik. Dazu kommen 6 Mrd. € an privaten Investitionen. Hier arbeiten die vier Länder Frankreich, Deutschland, Italien und das Vereinigte Königreich mit insgesamt 30 Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammen.

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Die wesentlichen Merkmale von Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse sind

  • seine technologische Innovationsfähigkeit, was die Verwertung von strategischen Technologien und revolutionären Innovationen betrifft

  • sein wirtschaftliches und marktbezogenes Potential, d.h. die Wertschöpfung muss ein beträchtliches wirtschaftlich Gewicht für das heute und morgen darstellen

  • seine gesellschaftliche und politische Bedeutung für Europa.

Unter dem vom Forum vorgeschlagenen „Smart Health“-Sektor wird ein Schnittstellenbereich zwischen der Gesundheitsversorgung und digitaler Technologien, digitaler Medien, mobiler Instrumente und biomedizinischer Technik verstanden. Die Entwicklung der Industrien hängt in dieser Sparte stark vom Vorhandensein und der Qualität von Gesundheitsdaten und Datenanalysen ab. Angesichts der Besonderheit des Gesundheitswesen sei es wichtig, dass sich die öffentliche Seite einbringe, argumentieren die Fachleute. Und dies insbesondere, wenn es darum gehe, einen Markt für Produkte und Lösungen intelligenter Gesundheit zu schaffen und dementsprechend Forschung und Entwicklung zu fördern. Öffentliche Mittel sollten z.B. dafür genutzt werden, kleine und mittlere Unternehmen bei Investitionen in den Ausbau von biomedizinischen und biotechnischen Anwendungen sowie Verfahren und Dienstleistungen zu unterstützen. Investitionsbedarf wird ebenfalls für weitergehende Forschung und technologische Entwicklung bei Sequenzierungstechnologien und künstlicher Intelligenz gesehen. Außerdem gelte es, die aktuell ungünstigen Marktbedingungen dringend zu verändern, um eine ausgewogene Verteilung von Chancen und Risiken zwischen den Gesundheitssektoren in den Mitgliedstaaten und den privaten Unternehmen zu erreichen. Das Forum nennt Grundlagen, die für eine wertschöpfungsorientierte Entwicklung des Sektors geschaffen werden müssten. Diese sollen bis zum Jahr 2030 entstehen:

  • ein Europäischer – gemeinsamer - Raum von Gesundheitsdaten über alle Mitgliedstaaten der EU hinweg, nutzbar für Forschung, medizinische Wissenschaften und für Gesundheitsdienstleistungen,

  • ein wachstumsfähiges europäisches Ökosystem zwischen Nutzern, Finanzierungsstellen, Behörden und Unternehmen für die Entwicklung und Einführung von smarten Gesundheitsprodukten und -anwendungen,

  • Kapazitäten und Angebote für alle Gesundheitsakteure, Bürger*innen und Patienten*innen, die es ermöglichen, intelligente Gesundheitsprodukte und -anwendungen verstehen und bewerten zu können mit dem Ziel, eine schnelle Einführung zu unterstützen,

  • ein Europäisches Gesundheitsinnovationszentrum in Form einer europaweiten Plattform, die die Umsetzung und praktische Nutzung von Projekten der intelligenten Gesundheitsversorgung ermöglicht.

Was dies für einzelne Ziele, Maßnahmen und Meilensteine bedeutet, beschreiben die Autoren des Forums in den spezifischen Empfehlungen ihres Berichtes „Strenghening Strategic Value Chains for a future-ready EU industry“.

Ulrike Wisser