Europaabgeordnete fordern eine Europäische Gesundheitsunion

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Das Europäische Parlament verabschiedete am 10. Juli eine Entschließung für eine Strategie der EU im Bereich der öffentlichen Gesundheit für die Zeit nach der Pandemie. Damit gibt es eine erste abgestimmte Antwort der Abgeordneten zu den Perspektiven der europäischen Zusammenarbeit für die Zeit nach der Covid-19 Gesundheitskrise. In den Monaten nach Ausbruch des Coronavirus hatten sich bereits verschiedene europäische Gesundheitspolitiker*innen zu Wort gemeldet. Darin forderten sie eine bessere Koordination und eine effektivere Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten bei der Bekämpfung der Gesundheitsbedrohung.

Die jetzt im Plenum angenommene Position nimmt einen Teil der Forderungen auf und zeigt, was als kleinster gemeinsamer Nenner zwischen den Fraktionen möglich ist. In der Stellungnahme wird keine Ausweitung der Zuständigkeit der EU für Gesundheitspolitik gefordert, aber eine bessere Umsetzung und Nutzung des Handlungsspielraums der EU innerhalb der bestehenden Parameter der Verträge. Einzelne politische Gruppen, wie die Grünen beispielsweise, sind für mehr gesundheitspolitische Kompetenz für die Gemeinschaft. Es sei Zeit, so heißt es in ihrem Beitrag, die Befugnisse im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf EU-Ebene zu erweitern, und zwar nicht nur mit dem Ziel, besser auf Krisen vorbereitet zu sein, sondern das öffentliche Interesse in der Gesundheitspolitik zu stärken.

Eine gemeinsame Forderung der Parlamentarier und Parlamentarierinnen ist die einer Europäischen Gesundheitsunion. Diese steht für den Gedanken, die Zusammenarbeit deutlich zu stärken und neue Instrumente und Verfahren zur Bewältigung zukünftiger Gesundheitskrisen einzuführen. Außerdem drängen sie auf einen Europäischen Gesundheitsreaktionsmechanismus als Teil dieser Union, durch den die in der Coronakrise der letzten Monate eingeführten Arbeits- und Abstimmungsverfahren formalisiert werden. Damit wären grundlegende Kooperationsstrukturen vorhanden, um bei neuen Gefahren schneller reagieren zu können.

Das Parlament verlangt von den Mitgliedstaaten, ihre Gesundheitssysteme schnellstmöglich Stresstests zu unterziehen, damit deutlich wird, ob und wie diese für ein etwaiges Wiedererstarken von Covid-19 bzw. künftigen Gesundheitsgefahren gerüstet sind. Sie rufen die Europäische Kommission auf, eine Richtlinie über Mindeststandards für eine hochwertige Gesundheitsversorgung vorzuschlagen. Diese Standards sollen einerseits die nationalen Zuständigkeiten für die Steuerung, Organisation und Finanzierung von Gesundheitssystemen berücksichtigen. Sie sollen aber auch Bedingungen für Patientensicherheit, menschenwürdige Arbeits- und Beschäftigungsstandards für Beschäftigte im Gesundheitswesen und die Widerstandsfähigkeit Europas gegenüber Pandemien abbilden.

Quelle: Europäisches Parlament

Quelle: Europäisches Parlament

Es möchte die negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit Covid-19 in Pflegeheimen in Europa aufgearbeitet sehen und erwartet bei Bedarf Gesetzgebungsinitiativen in dem Bereich. Die Abgeordneten erinnern daran, dass in einigen Mitgliedstaaten mehr als 50 % der Todesfälle durch den Coronavirus in Pflegeheimen auftraten. Sie halten es für wichtig, dass sich die Fortentwicklung der nationalen Gesundheitssysteme in der EU auf hohem Niveau angleicht. Das neue Programm EU4Health ist für sie ein guter Anfang, sie sehen aber auch einen langfristigen und hohen Investitionsbedarf der EU für diesen Sektor. Sie sprechen sich für einen speziellen EU-Fonds für die Stärkung der Krankenhausinfrastruktur und der Gesundheitsdienste aus.

Die politische Familie der Sozialisten und Sozialdemokraten hatte sich weitergehend für einen europäischen Index und für verbindliche Vorgaben für nationale Gesundheitssysteme eingesetzt. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei wollte einen Masterplan für elektronische Gesundheitsdienste, einschließlich konkreter erforderlichenfalls legislativer Vorschläge in dem Feld. Beides wurde so nicht in die gemeinsame Stellungnahme aufgenommen.

Gemeinsam sprach sich das Plenum dann wieder für einen Aktionsplan für Fachkräfte im Gesundheitswesen aus, durch den speziell die Erfahrungen mit der Pandemie berücksichtigt werden. Angehörige der Gesundheitsberufe sollen darüber eine strategische und operative Orientierung erhalten.

Ulrike Wisser